Die Farm im Nebel – 1
05/03/2020DFiN – George’s Frühstück
12/03/2020Der Morgen war kühl, aber das kümmerte sie nicht sonderlich. Der breite Fenstersims der Fenster, der sogar über die Gerippe der Heizkörper ragte, war behaglich warm und breit genug, es sich darauf gemütlich zu machen. Noch etwas dösig, von der frühen Morgenstunde, war ihr Blick hinaus gewandert. Es war noch viel zu früh, um die Welt, die jenseits der Scheiben wartete, zu betreten. Auch viel zu früh um dem Tagwerk nachzugehen. Also streckte sie sich lieber noch einmal gemütlich, ehe ihr ein Fleck an ihrem Arm auffiel.

Sie war sich nicht sicher, woher er stammte. Eigentlich war sie am Vortag zum Scheunendienst abkommandiert worden und gar nicht so viel draußen unterwegs gewesen. Allerdings war es ihr abgenötigt worden, in einige kleinere Spalten zu greifen und Hohlräume zu Klettern, um diese zu überprüfen. Das Ungeziefer suchte instinktiv die hellere und wärmere Umgebung der Scheune, die nicht nur Nahrung, sondern auch Unterschlupf für die Dunkelheit versprach, auf. Und es war schlau geworden, seit alles begonnen hatte. Noch schlauer als früher. Vermutlich, weil nur die Stärksten und Klügsten überlebten.
Also war ihre Arbeit wirklich wichtig. Um nicht zu sagen: Essentiell.
Sie wusste das. Also hatte sie auch keinerlei Skrupel, noch auf der Fensterbank zu sitzen und den entspannten, fast schon gelangweilten Blick schweifen zu lassen, während die Bewohner der Farm nacheinander langsam aufstanden, um sich für den Tag fertig zu machen. Sie mochte eine derjenigen sein, die am frühesten aufstand; aber sie war normalerweise nicht diejenige, die am frühesten ans Werk ging.
Der Fleck gab endlich nach und verschwand von ihrem Arm. Sie wollte sich gerade wieder gemütlich auf den Fenstersims fläzen, um den Durchbruch der Sonne abzuwarten die vergeblich versuchte die Nebelschwaden vollständig zu durchdringen, als ihr ein Schatten auffiel.
Ihre eisblauen Augen verharrten auf dem schemenhaften Punkt, ehe sich ihre Pupillen eine Spur weiteten. Das war Clevis; der Junge, aus dem ersten Stock. Sie hatte nicht viel mit ihm zu tun gehabt, bisher. Er schien sie zu meiden. Überhaupt schien er viele zu meiden, außer vielleicht Frank.
Sie legte den Kopf schief und atmete flach durch. Lauschend verharrend konzentrierte sie sich auf das ferner wirkende Bellen, das aus der Richtung zu kommen schien, in der Clevis verschwand.
Einen Moment lang versteiften sich ihre Glieder, als sie so reglos in die Welt hinein horchte. Dann aber wurde das Lärmen des Bellen verschluckt, von trampeligen Füßen, die stampfend und knarzend die gut hundertzwanzig Jahre alte Farmhaustreppe hinunter kamen.
Ihr Blick zuckte kurz zurück, dann wieder zum Fenster – doch die Silhouette des Jungen war verschwunden. Und mit ihm das Bellen.
Sie verwarf den Gedanken wieder, beiden zu Folgen.
Sie würden schon wissen, was sie da tun… und wenn nicht? Kümmerte es sie nicht sonderlich.