DFiN – Mimis Arbeitsbeginn
30/04/2020DFiN – George und Luci
15/05/2020Ich habe wirklich eine ganze Weile überlegt, ob ich dieses Thema überhaupt anfassen sollte, denn:
– Es ist omnipräsent
– Es hat diesen dramatischen Tick an sich, kreative Menschen zu klassifizieren, was immer meine Nackenhärchen ein bisschen zu Kitzeln vermag
– Es gibt unheimlich viele unterschiedliche Systeme, Schriftsteller zu klassifizieren, anhand dessen, wie sie ihrer eigenen Buch/Geschichtenidee entgegen treten.
Am Ende dachte ich dann aber, vielleicht ist es für euch sogar ganz spannend, einmal einen Einblick zu gewinnen wie ich diesem Thema begegne.
Doch warum ist dieses Thema überhaupt relevant?
Nun, kennst du deine eigene Herangehensweise und bist dir im Klaren darüber, fällt es dir sehr viel leichter, Techniken auszuwählen die dazu passen und somit deinen Fortschritt zu optimieren. Denn vielen fällt der Übergang von “Idee” zu “ich fange an zu schreiben” schwer, und sie haben das Gefühl, da fehlt etwas. In gewisser Weise mag das sogar stimmen, denn nicht jeder ist dafür geboren, frei von der Leber zu schreiben. Nicht jeder kann sich im Alltagsstress überhaupt seine Idee merken, und so kann viel verloren gehen. Auch können bestimmte Techniken als sehr motivierend empfunden werden. Auch wenn es dutzende von möglichen Systemen gibt, kehre ich immer wieder zu den Ideen einer bekannten Lektorin namens Ellen Brock zurück.

Pantser oder Plotter – oder gar Bojenschreiber?
Man sollte sich immer vor Augen halten, dass nur ein Teil der Schreibbegeisterten wirklich absolut ins Extrem der einen oder anderen Seite hineinragen. Die meisten finden Anteile beider Seiten in ihrem Schaffensprozess, shiften manchmal sogar von einer Seite zur Anderen, oder ändern ihre Herangehensweise projektabhängig, mit beiden Möglichkeiten spielend. Dennoch berichten fast alle Schriftsteller davon, dass sie zumindest einen spürbaren Hang zu einer von beiden Seiten haben.
Pantser
= Uncharmant & zusammengefasst formuliert schreiben diese erst alles einfach auf, wie es ihnen in den Sinn kommt, bevor sie es überarbeiten. Wieder im Extrem betrachtet, würde der reine Pantser sich einfach hinsetzen, mit nicht mehr als einem rudimentären kurzen Einfall, und anfangen zu Schreiben. Pre-Writing, Planning, Plotting – das ist alles nicht seine Welt.
Plotter
= Im Extrem betrachtet, plant der Plotter erst alles, bevor er überhaupt ein Wort der eigentlichen Geschichte schreibt. Er bricht jede noch so kleine Nuance und jedes noch so kleine Detail auf und hält es in seinem Plan fest, an dem er letztlich “entlang schreibt”. Das geht soweit, sogar den emotionalen Shift einer Szene zu notieren, sämtliche Charakterentwicklungen vorab geplant zu haben, einen Track für jeden kleinen Subkontext zu haben und nicht selten gehört dazu auch noch eine ganze Worldlore-Bibel. Die Welt des “artreinen” Plotters sind unzählige Programme und Diagramme und andere Techniken und Methoden, um all die Details und Dinge festzuhalten.
Bojenschreiber
= Schreiben im Grunde die Szenen/Ideen, die sie nicht loslassen wollen, und verbinden diese im Nachhinein. Es ist im Grunde eine Sonderform, denn der Bojenschreiber kommt nicht ohne einige Techniken des Plotters aus (sonst verliert er die Übersicht seiner Szenen und deren Abfolge und kann sie nicht mehr sinnig zusammensetzen und verknüpfen), aber die eigentliche Herangehensweise ähnelt in ihrer freien “ich schreib mir das von der Leber”-Gestaltung wiederum eher dem Pantser. Ich erwähnte den Bojenschreiber auch stellvertretend für so viele andere Typen an Schriftstellern.
Und dazwischen?
Viele werden sich dazwischen finden. Würden wir die Mitte zwischen Pantser und Plotter nehmen, kämen wir wohl bei einem Schriftsteller raus, der sich einige Ideen oder auch Charakterschwerpunkte und Szenenvorstellungen notiert hat. Vielleicht auch grob skizziert, wo die Reise der Charaktere lang gehen soll, oder wer die Hauptcharaktere sind. Oder einfach jemand, der ein paar Meilensteine der Geschichte notiert hat, um den Verlauf nicht aus den Augen zu verlieren.
Ihr seht also. Die Übergänge sind fließend und können kombiniert werden. Fühlt euch eingeladen, es auszuprobieren, wenn ihr das nächste Mal etwas schreibt!
Um euch einen Einblick zu geben, wie es bei mir so aussieht, hier eine kleine Auswahl wo ich mich je nach Projekt ungefähr befinde:
–Kurzgeschichte bis ca. 100 Seiten–

-Kurzgeschichte/Kurzroman bis ca. 200 Seiten-

–Roman-

-HowTo-

Ihr seht: Ich habe eine klare Tendenz, je nach Zweck erlaube ich es mir aber zu variieren da unterschiedliches mir unterschiedlich stark nützt. So profitiere ich bei HowTo’s von einer klaren Gliederung und Pre-Writing (Stichpunkten), beim Roman kommen mir Vermerke & das kurze Skizzieren von Ideen/wichtigen Punkten entgegen sowie ein wenig Notizen zur Welt/Charakterbildung, und bei kurzen Kurzgeschichten schreibe ich frei von der Leber zu einer Idee und überarbeite es dann.
Wenn ihr herausfinden wollt, wo ihr dazu gehört, empfehle ich euch einen einfachen Test. Versucht einmal effektiv eure Ideen, euren Handlungsbogen, euren Schauplatz, eure Charaktere “nieder zu schreiben” in geordneter Weise, so dass ihr dann ein Grundgerüst habt, an dem ihr entlang schreiben könnt. Dann versucht genau das!
Wenn ihr nämlich merkt, dass ihr im eigentlichen Schreibprozess ständig von dem Plot und Dingen die ihr ausgearbeitet und niedergeschrieben habt abweicht, dann ist dies meistens ein starker Indikator dafür, dass ihr einen guten Hang zum Pantsen habt. Auch wenn euch das niederschreiben all dieser Dinge bereits an den Punkt gebracht habt dass ihr überhaupt keine Lust mehr habt, die Story zu schreiben, ist das ein starker Indikator.
Umgekehrt: Wenn du denkst, du bist ein Pantser, aber bist es vermutlich gar nicht, wäre es typisch für dich, nur ein paar tausend Worte zu schreiben, und dann legst du dein Werk beiseite. Du startest kontinuierlich neue Schreibprojekte, aber beendest nichts? Auch das ist ein Zeichen dafür, dass du dich vielleicht für einen Pantser hälst, aber Hilfen und Techniken aus dem Plotbereich dir über diese kniffelige “Soll-Bruchstelle” hinweg helfen kann, die bei deinen Werken entsteht.
Was das Bojenschreiben anbelangt, so ist es ganz eine Frage das Ausprobierens: Schreibt mehrere für euch prägnant wirkende und wichtige Szenen, versucht sie im Nachhinein zu Ordnen und miteinander zu verknüpfen. Liegt euch das? Grandios! Dann könnte Bojenschreiben etwas für euch sein. 🙂
Intuitiv, oder Methodisch?

Eine weitere Betrachtungsgröße ist, Intuitivtät gegen Methodischen Bedarf zu stellen. Wer weit im Intuitiven Spektrum ist, also sehr weit rechts im obigen Schaubild, wird nicht davon abhängig sein, Theorien zu verstehen. Er wird künstlerisch frei und sehr kreativ einfach schreiben und überarbeiten, was ihnen gefühlsmäßig und intuitiv als richtig erscheint. Im Grunde “verrät ihnen ihr Bauch, wo es lang geht”.
Wer weit im methodischen Bereich ist, also sehr weit links im Schaubild angesiedelt, wird sehr methodisch an die Arbeit als Schriftsteller herangehen. Typischerweise weiß dieser Typ alles mögliche über Theorien rund um dieses Themenfeld, können Tropes erkennen und auseinander bauen anhand verschiedenen theoretischen Hintergrunds, sind in der Lage jeden Charakter-Ark auseinander zu nehmen und können jede Szene analysieren, die man ihnen vorlegt. Häufig benutzt dieser Schreibertyp auch sehr ausgereifte Strukturierungshilfen und -elemente. Er wird auch gerne als “der kopflastigere” Typ beschrieben.
Beide Typen können Plotten, beide können Pantsen. Aber der große Unterschied ist die Problemlösung: Methodische Schreiber werden weniger mit dem Bauch intuitiv einem Problem entgegen treten, sondern mehr dazu tendieren, das Problem anhand des ihnen bekannten Wissens zu analysieren um sich dann eine Problemlösungsstrategie zurecht zu legen.
Schwierig wirds auch, wenn man sich selbst nicht einschätzen kann. Wenn du zum Beispiel denkst du wärst intuitiv, aber das bist du gar nicht, wirst du immer damit kämpfen zu haben, dass deine Storys nicht langweilig und “zerstückelt” wirken, im Sinne dessen, dass es nie einen echten Fokus gibt und der rote Faden der durch die Geschichte führt immer wieder verloren geht. Neben dem Fokus wird auch oft die Vision fehlen oder zu kurz kommen, die notwendig ist ein Werk zur Kunst zu erheben. Musst du deshalb verzweifeln? Nein. Es ist nur ein gutes Anzeichen dafür, dass du mehr Techniken zur Auswahl brauchst, die dir weiter helfen können.
Und was, wenn du denkst, du wärst eher der methodische Typ, bist aber in Wirklichkeit intuitiv veranlagt?
Nun, ein typisches Zeichen dafür ist dass du im Grunde schon bevor du irgendwelche Techniken auf dein Werk anwendest weißt, ob die Story funktionieren wird. Oder der Trope, oder der Charakter, oder was auch immer gerade Bestandteil deiner Betrachtung ist. Vielleicht ist es aber umgekehrt: Du weißt einfach dass eine Story gut wird, funktionieren wird, aber du kannst trotz allem methodischem und technischen Wissens einfach nicht erklären wieso. Auch wenn andere dir ihren Plot erzählen: Du kannst vielleicht sagen: “Ja das wird klappen und gut” – aber es ist eben dein Bauch, der dir das verrät; dein Bauch und deine Intuition, die diesen Plot mögen, weil du auf technischer und methodischer Ebene eher zugeben müsstest dass es irgendwie nicht logisch ist, oder schlicht gar keinen Sinn für dich ergibt.
Ein weiterer Punkt, der helfen kann, dich einzugruppieren ist einfach die Frage, wie du Techniken empfindest. Die meisten methodischen Menschen haben Freude daran, neue Techniken kennen zu Lernen und empfinden dies als Bereicherung, während viele intuitiv veranlagte Schreiber es eher als Restriktion empfinden und wahrnehmen mit solchen Dingen konfrontiert zu werden.
Aber seid ehrlich zu euch selbst: Bloß weil ihr keine Lust hattet mehr Technik zu lernen, weil euch die Puste ausging, weil es euch zu schwer oder anstrengend war macht das keinen intuitiven Schreiberling aus euch. Und: bitte fallt nicht auf die Romantisierung des Schriftstellerberufes herein und denkt, “dafür muss man geboren sein”. Man muss das Interesse haben, ja. Talent schadet sicherlich auch nicht. Aber der Rest ist harte Arbeit und man kommt einfach nicht darum herum, sich gewisse Techniken und anderes zu erarbeiten.
Die vier (sich daraus ergebenden) Schreibtypen

Ihr habt nun einen Überblick und eine Idee, was die vier typischen Betrachtungsgrößen sind, wenn es um Schreibtypen geht: Methodisch oder Intuitiv? Pantser oder Plotter? (Der Bojenschreiber wird hier von mir ausgenommen, weil er lediglich eine andere Technik anwendent, aber grundlegend mit kategorisiert werden kann in diesem System).
Wichtig ist dies zu wissen weil die Erkenntnis, dass ihr zum Beispiel vielleicht mehr strukturellen Hintergrund braucht um eine Geschichte beenden zu können, euch für den Rest eures Daseins als Schreibwutanhänger nützlich sein kann, wenn ihr denn Taten folgen lasst. Oder umgekehrt: Vielleicht seit ihr weitaus mehr Pantser und Intuitiv, als ihr dachtet? Vielleicht hält euch die eine oder andere strukturelle Technik mehr auf und zurück, als es eurem kreativem Schaffensprozess eigentlich gut tut?
Bleibt am Ende die Frage mancher im Raum stehen, wie es eigentlich bei mir aussieht, und aktuell würde ich antworten:

Jedenfalls so ungefähr. Und das wirklich lustige ist, dass viele Schriftsteller davon träumen, intuitive Pantser zu sein, weil viele Leute denken, man setzt sich hin und schreibt einfach darauf los und findet auf intuitiver Basis schon den Weg und die Lösungen, damit es funktioniert.
Aber: Ich wäre wahnsinnig gerne viel stärker im methodischen Bereich. Mal abgesehen davon dass ich dieser romantisierten Anschauung nichts abgewinnen kann, geht mein Dasein als “intuitiver Pantser” immer damit einher, dass ich das Gefühl habe, keine Ahnung davon zu haben was ich tue.
Und auch wenn fünf Probeleser sagen: “Das ist wirklich gut geworden!” verschwindet das Gefühl nicht, weil ich nicht in der Lage bin, mit dem Finger darauf zu deuten, was nun daran so gut oder im umgekehrten Fall nicht so gut ist. Ich kann, leider, nicht gut an einen Text herangehen und ihn abscannen auf mögliche technische Mängel. Ich lese ihn defakto mit verschiedenen Stimmen in meinem Kopf, oder auch laut vor, bis es irgendwann Klick macht und ich genau die Stelle identifiziert habe, die mich stört. Und wenn gar nichts hilft? Werfe ich auch ein ganzes Kapitel weg und schreibe es neu.
Vielleicht ist dass auch der Grund, warum ich am Ende des Tages als intuitiver Pantser nichts dagegen habe, immer wieder im Plotter- und Methodisch-Bereich zu “wildern”, mir Techniken anzusehen, katastrophal an ihnen zu scheitern, und zurück zu kehren zu meinem “wilden Schreiber-Lotterleben ohne viel Methodik”, aber es ist zuweilen anstrengend – da ich in allen anderen Bereichen meines Lebens gewisse gegensätzliche Persönlichkeitsanteile besser im Griff habe. So auch mein Bedürfnis nach Methodik, System und Schematik im Widerspruch zu meinem intuitiven, kreativen und spirituellem Selbst. Aber beim Schreiben? Da fehlt der Ausgleich und das Gleichgewicht dass sich aus dem ineinandergreifen verschiedener Anteile ergibt noch. Weswegen ich auch plane, spätestens im Mai nächsten Jahres ein kleines Update hierzu zu schreiben. Wer weiß, vielleicht habe ich bis dahin die perfekte Technik für mich gefunden, die mein methodisches Bedürfnis erfüllt? 😉
Oder noch besser: Vielleicht habe ich bis dahin ein paar von euch überzeugt es „nochmal mit dem Schreiben zu versuchen“, und wir können eine Diskussion über eure und meine Erfahrungen und ausprobierten starten?