DFiN – Mimis Platz
08/09/2020Grundlagen & 5-Akte-Muster
15/09/2020Je länger George darüber nachdachte, desto unbehaglicher wurde ihm. Wieso sollte er es eigentlich nicht wagen, und auf sie zugehen? Warum musste alles im Verborgenen geschehen, leise und klammheimlich, wenn alle im Bett oder sonst wo waren? Warum konnte sie nicht einfach in sein Zimmer ziehen, wo sie doch eh immer wieder die Nächte dort zubrachte. Und überhaupt, was sollten sie in dieser Welt noch verbergen oder verlieren?
Sollten sie nicht froh sein, und glücklich darüber, noch zu leben und einander gefunden zu haben? Hatten sie denn einander gefunden? Oder war er nur gut genug für die Lust, die sie zuweilen überkam? Ein Bettwärmer für die kalten, angsterfüllten Nächte, die einem den Schweiß ins Gesicht trieben, wenn sie die Erinnerungen an all das zurückbrachten, was geschehen und verloren war?
Unruhig tigerte der kräftige Mann auf und ab, sich durch sein kurzes dunkles Haar rubbelnd, als könnte er so die Antwort aus sich selbst herausschütteln. War er etwa nicht gut genug für sie? Zu launenhaft, zu pessimistisch und engstirnig, wie sie ihn schon genannt hatte? Oder waren es nur Stimmungsschwankungen, die sie so ein Zeug sagen ließen, ausgelöst durch das, was sie „gutes Futter“ nannte, auch wenn er genau wusste, dass sie in spätestens ein bis zwei Monaten den größer werdenden Bauch nicht mehr einfach auf das Abendessen schieben konnte?
>>Scheisse…<< entfuhr es ihm leise.
Sein Blick glitt kurz unruhig durch eines der Küchenfenster, ihrer Gestalt folgend, die sich weiter Richtung Scheune bewegte.
Warum machte er all dies nur mit? Natürlich hatten sie sich so gut abgesichert wie es ging. Drei Generatoren besorgt, die nacheinander ansprangen, sobald einer versagte. Genügend Flutlichter um zur Not selbst den ganzen Farmbereich eine kleine Weile beleuchten zu können und die Biester fern zu halten. Aber nichts desto trotz: Jeder Tag war gefährlich. Ganz zu schweigen von den Nächten. Es konnte so schnell vorbei sein und sie alle hatten so oft erlebt, wie schnell jemand verloren ging. Also wofür hielten sie es geheim? Um die Missachtung einer Gesellschaft zu umgehen, die schon gar nicht mehr existierte?
Die Menschheit lag am Boden und die letzten Überlebenden kämpften um jede Minute die sie dem Tod noch abtrotzen konnten.
>>Scheisse.<< George grunzte unwillkürlich.
Ihr ganzes Verhalten hatte sich geändert. Nicht immer zum Wohlgefallen seiner Person, aber auch nicht zum wirklichen Missfallen. Letztlich wusste er, warum der Bauch wuchs, und sah es irgendwie als seine Verantwortung, nun für sie da zu sein. Selbst wenn sie manchmal so anschmiegsam wie ein stachliger Igel war, der es nicht lassen konnte einem über die Füße zu rollen. Aber vielleicht war dies ein Art Test? Vielleicht prüfte sie ja nur, ob er dableiben würde? Oder sie bekam es gar nicht so mit.
Bekam sie überhaupt mit, dass alle anderen es mitbekamen, und sowieso schon eins und eins zusammengezählt hatten?
Wieder fuhr er energisch durch sein Haar, die Hände dabei abwechselnd.
Das war doch lächerlich, nicht?
Aber war die Vorstellung, ein Kind in diese Welt zu setzen, nicht genauso lächerlich? Umgeben von Gefahren, mit denen selbst die Erwachsenen mehr schlecht als recht umzugehen wussten, und die allgegenwärtig schienen? Was sollten sie ihm beibringen, was mit auf den Weg geben?
Wieder glitt sein Blick durchs Küchenfenster und er beobachtete wie sich ihre schlanke Gestalt – sah man von der leichten Rundung des Bauches einmal ab – in den Hühnerstall schob, der kaum mehr als ein zusätzlicher Bretterverschlag an der Seite der Scheune war. Es war ein gutes Jahr gewesen. Wenig Verlust am Vieh und einiges Jungvieh summierten sich. Es würde den Winter sicher zusätzlich vereinfachen etwas mehr Fleisch, Ei und Milch zur Verfügung zu haben. Zumindest wenn es ihnen gelang, genügend Heu und Korn einzulagern.
>>Verdammter Mist!<<
Kopfschüttelnd ging er zum Kücheneingang und hob eine Schrotflinte von einem einfachen, improvisiertem Waffenregal, wie man es an fast jeder Türe mit mindestens einer Waffe fand, in diesem Haus. Man wusste eben nie, wann es nötig wäre. So wirklich im Klaren war sich George darüber nicht, ob er die Waffe nun mitnahm, um sagen zu können sie sollte in dem aufkeimenden Nebel nicht alleine unterwegs sein – oder ob der Nebel selbst ihn wirklich so stark beunruhigte. Er kam hier öfters vor, auch wenn er glücklicherweise nicht immer so dicht war, wie an diesem Tag.
Vielleicht war es wirklich der Nebel, und dieses Kribbeln im Nacken, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber galt das Kribbeln wiederum dem Nebel, oder nicht eher seiner eigenen Sorge, dass etwas zwischen ihnen nicht stimmte?
Enerviert aufseufzend näherte er sich dem Hühnerstall und trat ein. Aber mehr als aufgeregtes Federvieh fand er nicht vor, das ihn gackernd und wild mit den Flügeln schlagend begrüßte. Oft war er nicht hier drin, also dachte er sich nicht viel bei dem aufgeregten Gebaren der Hühner. Dennoch war er froh als sie auseinanderstoben und den Weg zur improvisierten Scheunentür freigaben, so dass er den Verschlag wieder eilends verlassen konnte.
Und dort war sie wieder. Luci.
Sein Blick haftete an ihrem belustigten Lächeln, als sie eine verirrte weiße Feder von seiner Schulter zupfte, die er gar nicht bemerkt hatte. Verdammter Narr, sag irgendetwas!
Er folgte jeder ihrer Regungen, als sie näher trat gebannt, unweigerlich selbst die Mundwinkel hebend. Sag ihr wenigstens, dass du sie liebst!
Wie lächerlich war es, als er als gestandener Mann schauderte, als sie die Arme verstohlen um ihn legte? Frag sie wenigstens, ob sie mit dir zusammen sein will!
Die Waffe rutschte von seiner Schulter und er lehnte sie achtlos gegen einen Strohballen, ehe er kopflos die Hände an ihre Hüfte legte und sie näher rückte, tief ihren Geruch einatmend, den er die letzte Nacht schon missen musste. Jetzt sei bloß kein Trottel und zeig ihr den Ring wenigstens, frag sie, bevor es zu spät ist!
Die Hände glitten von ihrer wohlgeformten Taille weiter und er hob sie ruckartig auf seine Hüfte, ihren Lippen begegnend, die seine schon fieberhaft suchten. Heiße Schauder überliefen ihn, als er sich wendete und sie gegen die Scheunenwand lehnte, den Kuss gierig erwidernd, während ihre Finger unter sein Hemd wanderten. Gut… dann klär das alles eben lieber erst Morgen, du Trottel.
