Der Sammler
31/10/2020
DFiN – Mimis Missfallen
15/11/2020Der rettende Lichtschein der Farm war für ihn nicht einmal mehr zu sehen. Unerreichbar, als lägen Welten zwischen ihm und dem Schutz, den das alte Farmhaus ihnen allen bot.
Wohin er den Blick auch wendete, begegnete ihm nun nebliger Dunst und hüllte ihn ein, als versuche eine unsichtbare Macht ihn in ihre Klauen zu bringen. Der Zaun wurde schon in wenigen Metern Entfernung zu einer verlaufenden Masse ohne klare Konturen, ein bräunlich-dunkler gerade gezogener Fleck, bei diesen schlechten Lichtverhältnissen.
Es waren keine Kreise, die von den Schatten der Leichen seiner Eltern gezogen wurden. Das was er für Schatten hielt, war einst Blut.
Der Junge schauderte, als er seinen Anorak wieder enger zog und sich umblickte. Würde er auch nur eine Masse am Boden bleiben, die im Dämmerlicht verschwand und von der wenige Tage später nur noch ein paar verstreute Knochen übrig blieben?
Er atmete schwer. Diese Gedanken, diese Fragen, all die Bilder – sie waren gefährlich. Lenkten von dem ab, was nun vor ihm lag. Führten in den Wahnsinn, der so manche “schwache” Person befallen hatte, die ihr Leben dann verlor. Er wollte nicht zu denen gehören, die sich schreiend den scharfen Krallen und Beisswerkzeugen entgegenwarfen. Nicht zu denen, die sich ihrem Schicksal ergebend am Boden zusammenkauerten, den Angriff des Schwarms erwartend. Er war viel zu jung dafür!
Aber warum nur hatte er nicht nach einer Waffe gegriffen? Sie hingen genau dafür gedacht jederzeit bereit neben der Türe. Ein einziger Griff, um eine der Schrotflinten zu ergattern. Oder eines der Sturmgewehre. Vielleicht war beides nicht gut genug, um einen der Schwärme zu besiegen. Aber es war gut genug, sich Zeit zu verschaffen und die Strider etwas vom Hals zu halten.
Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Wie es sich wohl anfühlen musste, wenn sich die Krallen des ihrer so grotesk einfach geformten Füße, des letzten Tarsenglieds, in die Haut schlugen?
Er versuchte seinen Atem zu kontrollieren und flach zu halten. Leise! Er musste leise sein!
Angestrengt hielt der Junge inne, um wenigstens irgendein Geräusch zu erhaschen, oder irgendeinen kurzen Blick auf etwas, das ihm als Orientierung dienen konnte. Er musste zurück, in das sichere Licht. Er musste es einfach schaffen.
Seine Pupillen weiteten sich, als seine Augen über die fast schwarz wirkenden Stämme des nahe stehenden Waldes huschten. Ein Knacken. Das Unterholz stand dicht, so verwildert wie dieser Abschnitt war. Wie Stacheln ragten die Büsche und kleinen Bäume aus dem Boden, in den nebligen Abschnitten zwischen den alten Stämmen, die den Waldrand säumten. Wieder ein Knacken!
Diesmal konnte er sich doch nicht verhört haben?